Spermidin soll das Leben verlängern und Demenz vorbeugen. Das zumindest lassen erste Hinweise vermuten. Grund dafür ist der Prozess der Autophagie, ein Selbstreinigungsmechanismus der Körperzellen, der durch die Substanz angekurbelt wird.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Über die körpereigene Substanz Spermidin wurden in den letzten Jahren viele spannende Forschungsergebnisse veröffentlicht. Es soll das Altern aufhalten, Demenz vorbeugen und ein wahrer „Jungbrunnen“ sein. Diese Wirkung beruht auf der Anregung der Autophagie. Dieser Selbstreinigungsmechanismus der Zelle wird auch durch Fasten angeregt. Im Alter wird die Autophagie weniger effektiv. Dadurch kann es zu Ablagerungen in den Zellen und zu verschiedenen Erkrankungen kommen.
Viele dieser Hinweise auf eine Anti-Aging-Wirkung stammen allerdings aus Studien mit Würmern oder Fliegen. Doch wie wirkt die Substanz beim Menschen? Hat es wirklich eine lebensverlängernde Wirkung? Welche Lebensmittel enthalten es? Und was genau hat die Autophagie damit zu tun?
Was ist Spermidin?
Es ist ein natürlicher Bestandteil unserer Körperzellen. Der Name geht darauf zurück, dass die Substanz in Sperma entdeckt wurde. Heute weiß man jedoch, dass die Substanz in fast allen Körperzellen vorkommt. Und zwar nicht nur bei Menschen, sondern bei allen lebenden Organismen. Es ist chemisch betrachtet ein Polyamin. Das sind Moleküle, die im Zellstoffwechsel entstehen und chemisch Aminosäuren ähneln. Die Substanz kann durch die Nahrung aufgenommen werden. Eine weitere Quelle für die Substanz ist beim Menschen der Darm. Dort bilden Bakterien des Mikrobioms das Polyamin.
In der Jugend ist der Spermidingehalt in den Körperzellen noch relativ hoch. Allerdings sinkt er mit zunehmendem Lebensalter. Auf der Grundlage dieser Beobachtung haben verschiedene Forschergruppen untersucht, warum das so ist und welche Wirkung es in unserem Organismus entfaltet. Die genaue physiologische Funktion ist bis heute jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt. Doch Studien zeigen, dass die Gabe von Spermidin bei Modellorganismen wie Mäusen, Hefe, Fliegen und Nematoden die Lebenszeit verlängert. Bei Menschen gibt es Hinweise darauf, dass es Körper und Gehirn vor der Alterung schützen könnte. Wir klären im Folgenden auf, was dahintersteckt.
Wie wirkt Spermidin?
In den letzten Jahren haben sich unzählige Forschergruppen sehr intensiv mit der Wirkung von Spermidin auseinandergesetzt. Studien mit verschiedenen Organismen zeigten oft eine lebensverlängernde Wirkung. Gibt man es zum Kulturmedium oder Trinkwasser bei Hefe, dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans, der Fruchtfliege oder bei Mäusen hinzu, leben die Tiere länger und sind gesünder. Das zeigte der Biochemiker Univ.-Prof. Dr. Frank Madeo aus Graz mit seinem Team in verschiedenen Untersuchungen1. Diese Wirkung scheint eng mit einem bestimmten Vorgang im Körper zusammenzuhängen: mit der Autophagie.
Autophagie: Körpereigenes Recycling
Die Autophagie (auch Autophagozytose genannt) ist ein Prozess, mit dessen Hilfe Körperzellen nicht mehr gebrauchte, eigene Bestandteile verwerten. In einem Recyclingprozess werden falsch gefaltete Proteine oder veraltete Zellbestandteile zerlegt. Dann werden die Bruchstücke wieder für neue Syntheseprozesse verwendet. Dieser Vorgang ist so wichtig, dass der japanische Zellbiologe Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis für Medizin für die Aufklärung der Autophagie-Mechanismen erhielt.
Ohsumis Arbeit gebe völlig neue Einblicke in die Art, wie Zellen ihre Bestandteile recyclen, erklärt das Nobelpreis-Komitee die Preisvergabe2. Das sei die Basis gewesen, um ganz fundamentale physiologische Prozesse besser zu verstehen, zum Beispiel die Reaktion des Körpers auf das Fasten oder die körpereigene Antwort auf Infekte, so das Komitee.
Das Wort Autophagie leitet sich vom griechischen auto (selbst) und phagein (essen) ab. Autophagie bedeutet also: sich selbst essen. Bereits in den 1960er Jahren beobachteten Forscher, dass Zellen ihre eigenen Bestandteile in kleine Membranbläschen einschließen und abbauen können. Ohsumi wies in Hefezellen nach, welche Gene dafür verantwortlich sind und wie genau das Recycling der Zellbestandteile funktioniert.
Zudem konnte er zeigen, dass der Prozess bei fast allen Lebewesen, auch beim Menschen, genauso abläuft. Indem sie nicht mehr benötigte Moleküle und Zellorganellen wiederverwerten, sparen die Zellen Energie und Material. Auch eingedrungene Viren, Bakterien und Fremdproteine können abgebaut werden. Deshalb ist die Autophagie auch ein wichtiger Faktor für die Funktion des Immunsystems.
Die Autophagie wird durch Sport, schwarzen Kaffee und in erster Linie durch Fasten und verringerte Kalorienzufuhr angeregt. Mehr dazu können Sie weiter unten nachlesen. Auch Spermidin wirkt verstärkend auf die Autophagie, zeigte die Forschergruppe von Professor Frank Madeo3. Das ist wichtig zum Verständnis der nachfolgend erklärten Wirkung. Denn nicht abgebauter „Zellmüll“ könnte Auslöser altersbedingter Erkrankungen sein, während die Autophagie entscheidend wichtig für reibungslose Zellfunktionen ist.
Schützende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System
Die Substanz verstärkt die Autophagie in Körperzellen. Das scheint die Effektivität und Aktivität von Proteinen und Enzymen zu erhöhen und die Funktion zellulärer Organellen (zum Beispiel Mitochondrien) und Herzmuskelzellen zu optimieren 3. Deshalb hängt die Autophagie eng mit dem Alterungsprozess zusammen. Je älter wir werden, desto höher ist unser Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Herzinfarkt und Schlaganfall sind hierzulande auf einem unrühmlichen Platz Eins der häufigsten Todesursachen. Prof. Madeo und sein Team fütterten Mäuse mit Spermidin4. Sie lebten daraufhin nicht nur zehn Prozent länger, sondern zeigten auch weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine bessere Herzfunktion. Zudem konnte ein erhöhter Blutdruck bei Mäusen durch eine Spermidingabe gesenkt werden 5. Ob das auch beim Menschen funktioniert, muss sich jedoch noch zeigen.
Spermidin bei Demenz
Auch vor Altersvergesslichkeit und Demenz könnte die Substanz schützen. Zumindest weisen darauf Versuche mit Fruchtfliegen hin 6. Die Fruchtfliege leidet, genau wie wir Menschen, im Alter oft unter zunehmender Vergesslichkeit. Füttert man die Fruchtfliegen mit Spermidin, steigt die Autophagie-Aktivität messbar. Gleichzeitig verringert sich die Altersvergesslichkeit.
Erste, auf einem Demenz-Kongress vorgestellte Daten zeigen, dass auch beim Menschen möglicherweise eine ähnliche Wirkung auftritt. Die aktuell laufende SmartAge-Studie 7 soll weitere Klarheit bringen. Am NeuroCure Forschungszentrum der Berliner Charité nehmen Menschen zwischen 60 und 90 Jahren, die über ein schlechteres Gedächtnis klagen, einen spermidinreichen Extrakt aus Weizenkeimen ein. Dabei wird vorher, währenddessen und sechs Monate nach Ende der Einnahme die Gedächtnisleistung ermittelt.
Weitere Studien (wieder mit Mäusen) lassen außerdem vermuten, dass es eine Schutzwirkung gegen bestimmte Krebsarten und Lebererkrankungen haben könnte 8.
Wirkung bei Menschen: Ist Spermidin ein „Jungbrunnen“?
Jeder Mensch möchte gerne bis im hohen Alter fit, vital und gesund bleiben. Allerdings ist die Substanz kein Wundermittel, sondern sicher nur ein Faktor von vielen, die Alterserscheinungen verlangsamen. Begleitend zu anderen Maßnahmen (Sport, gesunder Lebenswandel, ausgewogene Ernährung) ist es aber ein spannender und ganz neu entdeckter Faktor.
2018 wurden Ergebnisse aus österreichischen Ernährungsstudien veröffentlicht 9. Dafür wurden 829 österreichische Teilnehmer über ihre Ernährung befragt. Aus diesen Angaben berechneten die Forscher den Spermidingehalt in der Nahrung (niedrig, mittel oder hoch). Ihr Ergebnis nach einem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren: Je mehr es die befragten Menschen zu sich nahmen, desto länger lebten sie und desto seltener hatten sie kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs. Und zwar unabhängig vom Alter, Geschlecht und anderen Krankheiten.
Ist das nun ein Beweis, dass die Substanz uns vor dem Altern und Tod bewahrt? Viele der spermidinreichen Lebensmittel gelten generell auch als besonders gesund, weil sie ebenfalls reich an Vitaminen, Mineralstoffen oder Ballaststoffen sind. Vielleicht sieht man hier also den generellen Effekt einer ausgewogenen und gesunden Ernährung. Das heißt aber auch, dass eine Ernährung, die spermidinreich ist, auf jeden Fall gesund ist. So ist es empfehlenswert, die weiter unten aufgeführten Lebensmittel in den Speiseplan aufzunehmen.
Gibt es Nebenwirkungen von Spermidin?
Bisher sind keine Nebenwirkungen bekannt. Allerdings wurden viele Untersuchungen nur im Labor oder an Tieren durchgeführt. In den ersten (wenigen) Untersuchungen an Menschen zeigten Kapseln mit spermidinreichem Weizenkeimextrakt offensichtlich keinerlei Nebenwirkungen 10.
Nebenwirkungen sind generell sehr unwahrscheinlich. Denn Spermidin ist fast überall enthalten, auch in unserem eigenen Körper, und schon seit jeher Bestandteil unserer Ernährung. Inzwischen gibt es außerdem viele Erfahrungen mit Spermidin. In Erfahrungsberichten im Netz tauchen bisher nirgends Informationen zu möglichen Nebenwirkungen auf.
Wie hängen Fasten, Spermidin und Autophagie zusammen?
Auch Fasten induziert die Autophagie
Evolutionär hat sich der Mensch, wie jedes Tier, an Zeiten des Mangels angepasst. Verschiedene Prozesse kommen verstärkt in Gang, wenn Menschen weniger essen oder fasten. Dazu gehört auch die Autophagie. Besonders gut untersucht ist dieser Effekt für das Intervallfasten (intermittierende Fasten) und Scheinfasten 11. Beim Intervallfasten wird nur über einen kurzen Zeitraum (zum Beispiel 16 oder 24 Stunden) auf Nahrung verzichtet.
Beim Scheinfasten verzehrt man zwei bis 21 Tage lang eine stark kalorienreduzierte Diät. Die positiven Effekte des Fastens beruhen mitunter auf der Anregung der Autophagie-Prozesse im Körper. Das kann die Ursache dafür sein, dass Menschen, die regelmäßig fasten, länger leben 12. Über weitere Wirkmechanismen des Fastens lesen Sie hier.
Der Effekt von Spermidin ähnelt dem des Fastens
Wenn Wissenschaftler von der Wirkung des Spermidins sprechen, nennen sie die Substanz oft ein „caloric restriction mimetic“. So heißen Substanzen, die die Wirkung einer Kalorienrestriktion nachahmen. Es wirkt also ähnlich, wie es Fasten oder eine geringe Kalorienaufnahme tun.
Das heißt also für Sie: Wenn Sie den Prozess der Autophagie in Ihrem Körper anregen möchten, haben Sie mehr als nur eine einzige Möglichkeit. Neben dem Verzehr spermidinreicher Nahrung können Fasten und Sport ebenfalls dazu beitragen. Das alles lässt sich natürlich auch kombinieren. Gerade das Intervallfasten kann man relativ leicht in den Alltag integrieren, und es ist auch für Menschen durchführbar, die keine mehrtägige Heilfastenkuren machen möchten. Freunde des schwarzen Kaffees werden sich freuen, denn auch dieser kurbelt die Autophagie an, allerdings nur ohne tierische Milch.
Wo ist Spermidin enthalten?
Es ist in den Zellen fast aller Lebewesen enthalten. Deshalb findet man es auch in vielen Nahrungsmitteln. Allerdings sind die Konzentrationen in verschiedenen Lebensmitteln sehr unterschiedlich.
Lebensmittel: Die besten Spermidin-Quellen
Die Substanz ist in zahlreichen, vor allem pflanzlichen Lebensmitteln in höheren Konzentrationen enthalten. In verschiedenen Veröffentlichungen13 findet man inzwischen Lebensmitteltabellen mit ihrem Spermidingehalt. Die folgenden Nahrungsmittel enthalten besonders viel davon:
Weizenkeime
Weizenkeime sind der wohl wertvollste Teil des Weizenkorns. Bei der Mehlproduktion werden sie jedoch abgetrennt, weil sie viel Öl enthalten. Dadurch würde das Mehl schnell ranzig werden. Diese abgetrennten Weizenkeime kann man in Biomärkten oder gut sortierten Supermärkten kaufen. Weizenkeime enthalten den mit Abstand höchsten, bisher gemessenen Wert der Substanz. Außerdem enthalten Weizenkeime wichtige B-Vitamine, Mineralstoffe und Antioxidantien wie Vitamin E. Also noch ein Grund mehr, sie in die tägliche Ernährung mit aufzunehmen.
So können Sie Weizenkeime konsumieren: Weizenkeime lassen sich direkt roh verwenden, zum Beispiel zum Frühstück in Müsli, Frühstücksquark, Porridge oder Brei. Sie sind auch lecker als Zutat in Smoothies oder über Salate gestreut. Wenn man keinen Weizen verträgt, kann man alternativ auch Reiskleie verwenden. Reiskleie enthält ebenfalls reichlich Spermidin, allerdings nur rund ein Viertel so viel wie die Weizenkeime.
Sojabohnen
Sojabohnen und daraus gewonnene Produkte wie Tofu enthalten es reichlich. Besonders gut geeignete Spermidinquellen sind fermentierte Sojaprodukte wie Miso und Tempeh.
Reifer Käse
Verschiedene Käsesorten haben einen recht unterschiedlichen Spermidingehalt. Grundsätzlich gilt: Je reifer der Käse, desto mehr Polyamine sind enthalten. Unter den untersuchten Käsesorten wies reifer Cheddar (1 Jahr gereift) den höchsten Gehalt auf.
Kürbiskerne
Ein echter Geheimtipp sind auch Kürbiskerne und Kürbiskernöl. Außerdem ist es in Walnüssen, Pinienkernen und vielen Nüssen und Saaten enthalten.
Weitere gute Quellen für Spermidin
Es gibt noch einige weitere Lebensmittel, die empfehlenswert sind, wenn Sie Ihre Spermidinaufnahme erhöhen wollen. Dazu gehören alle Vollkornprodukte, Pilze und Hühnerleber. Die Gemüsesorten mit dem höchsten Gehalt sind Erbsen, Sellerie und verschiedene Kohlgewächse (zum Beispiel Blumenkohl, Brokkoli). Die Konzentration in Obst scheint generell geringer zu sein als in Gemüse und Vollkornprodukten. Am höchsten war der gemessene Gehalt in Melone, Mango und Grapefruit.
Aktuelle Studien
2021 erschienene Studien
- Forschern gelang es nachzuweisen 14, dass Spermidineinnahme die Blut-Hirn-Schranke in Mäusen passiert und eine spezielle Modifikation (Hypusinierung) eines zentralen Proteins der Proteinherstellung (eIF5A) unterstützt sowie die Funktion der Mitochondrien verbessert. Die Spermidingabe bei älteren Mäusen führt dazu, dass diese in verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine zusätzliche Spermidinzufuhr haben. Auch auf die Zellatmung im Hippocampus wirkt sich die Spermidin-Supplementierung positiv aus. Bei Fruchtfliegen steigert es ebenfalls die mitochondriale Atmung. Daten der großangelegten Bruneck-Studie deuten darauf hin, dass eine höhere Spermidinzufuhr auch beim Menschen mit einem geringeren Risiko für kognitive Beeinträchtigungen einhergeht. Die Forscher resümieren, dass eine spermidinreiche Ernährung des Menschen eine wirkungsvolle Strategie in der Vorbeugung eines Rückgangs der kognitiven Fähigkeiten im Alter sein könnte.
- In einer ähnlichen Studie 15 wurden die Grundlagen der bereits bekannten positiven Effekte von Spermidinzufuhr auf Gedächtnisfunktion und Fortbewegungsfähigkeit in Fruchtfliegen untersucht. Die Forscher schlossen ebenfalls, dass die Hypusinierung von eIF5A ein zentraler Prozess bei der altersprotektiven Wirkungen im Nervensystem durch Spermidin-Supplementierung ist. Zwei der wichtigsten Ergebnissen dieser Studie sind, dass eine Supplementation die mitochondriale Atmung des alternden Gehirns steigert und dass die Hypusinierung im Gehirn mit dem Alter prinzipiell abnimmt, aber bis ins mittlere Alter durch Spermidingaben verbessert werden kann.
- In einer Untersuchung bei Mäusen zur Leberschädigung hervorgerufen durch chronische Ethanol- und akute Lipopolysaccharid-Gabe zeigten Forscher 16, dass eine Spermidin-Gabe positive Auswirkungen auf oxidativen Stress, Entzündungsprozesse und die Symptome der Lebererkrankungen haben kann. Dies äußerte sich durch verbesserte histologische Befunde und verschiedene Biomarker. Die Autoren schließen, dass die Substanz als Antioxidans fungiert und dadurch entzündungshemmende und antifibrotische Wirkungen im Zusammenhang mit alkoholischer Leberschädigung hervorruft.
2020 erschienene Studien
- Eine Arbeitsgruppe um Prof. Flöel hat eine Querschnittstudie 13 publiziert, in der Zusammenhänge zwischen der Gehirnstruktur älterer Probanden und der Spermidinaufnahme über die Nahrung untersucht wurden. Die über die Nahrung zugeführte Spermidinmenge wurde dabei anhand von Fragebögen ermittelt. Eine höhere Aufnahme war unter anderem mit einer stärkeren kortikalen Dicke, auch in Alzheimer-relevanten Regionen, und mit einem größeren Hippocampusvolumen verknüpft. Es wurden hier keine relevanten Unterschiede zwischen Personen mit Subjective Cognitive Decline und gesunden Probanden beobachtet. In ihrem Fazit spekulieren die Autoren, dass eine höhere Spermidinaufnahme möglicherweise neuroprotektiv sei und einen vielversprechenden Ansatz darstellen könnte, Hirnatrophie (allmählicher Verlust von Hirnsubstanz) in älteren Personen zu verlangsamen oder zu verhindern. Die Studie wurde im Rahmen der Smart Age-Studie durchgeführt.
- Bei einer weiteren Veröffentlichung 17 handelt es sich um eine ex-vivo-Arbeit, ebenfalls unter Beteiligung von Prof. Flöel, zum Thema T-Zell-Funktion/neurodegenerative Erkrankungen und Polyamine. Die Autoren untersuchten in ex-vivo-Experimenten den Einfluss von Spermidin und Spermin auf die T-Zell-Aktivierung, Autophagie und die Freisetzung von Cytokinen auf Basis von Blutproben gesunder Probanden und von Patienten mit kognitiver Einschränkung/Demenz. Sie beobachteten eine dosisabhängige Aktivierung der T-Zellen und der Autophagie durch die Polyaminbehandlung. Während Spermin alle Cytokine herunterregulierte, verursachte die Spermidineinnahme dosisabhängig eine Steigerung bzw. eine Erniedrigung der Cytokinbildung oder eine Kombination aus beidem. Die Effekte in den Patientenproben wurden zwar in niedrigeren Konzentrationen beobachtet, die Veränderungen waren aber ähnlich im Vergleich zur Kontrollgruppe. Mit ihren Ergebnissen lieferten die Autoren neue Hinweise dafür, dass eine Supplementation die Funktion von T-Zellen beeinflussen könnte. Dies ist interessant, da T-Zellen wichtige Mediatoren in der Alzheimerpathologie darstellen.
- Ein Preprint 18 der Arbeitsgruppe von Prof. Simon aus Oxford widmete sich ebenfalls dem Thema Spermidin und Immunfunktion. Im Allgemeinen ist der Impferfolg bei älteren Menschen häufig eingeschränkt. Die Autoren des Preprints zeigten nun, dass die T-Zellen älterer geimpfter Probanden nicht nur eine reduzierte IFNγ-Sekretion, sondern auch eine verringerte Autophagie aufwiesen. Weiterhin beobachteten die Autoren eine inverse Korrelation zwischen den endogenen Spermidinkonzentrationen in den Immunzellen und dem Alter der Probanden. Eine in vitro-Behandlung der Immunzellen älterer Spender mit Spermidin steigerte die Autophagie und verbesserte die T-Zell-Funktion. Die Ergebnisse dieser Studie liefern somit erste Hinweise dafür, dass sich die Immunogenität von Impfungen bei älteren Personen möglicherweise durch den Wirkstoff verbessern lassen könnte.
- In einem Review 19 wird das aktuelle Wissen zu wichtigen Aspekten der Polyaminzufuhr über die Nahrung zusammengefasst. Dabei wird insbesondere auch auf die Mechanismen der zellulären Aufnahme und der Verteilung der Polyamine im Körper eingegangen. Die Autoren beleuchten darüber hinaus auch die Bedeutung von Spermidin für die Gesundheit und fassen klinische sowie epidemiologische Studien mit dem Fokus auf Polyamine und Ernährung zusammen.
- In einer weiteren sehr interessanten Publikation 20 wurde gezeigt, dass eine Behandlung den Abbau von Amyloid-Fibrillen (Ablagerungen im Gehirn) bei Mäusen fördern kann. Die intraperitoneale Behandlung mit Spermidin verbesserte darüber hinaus die Gedächtnisfunktion der Mäuse und induzierte Autophagie.
Spermidineinnahme
Es reicht vermutlich völlig aus, die oben genannten Nahrungsmittel häufiger zu essen. So landet man relativ einfach bei einer Spermidinzufuhr von mehr als 80 µmol pro Tag. Das ist die Menge, die sich in der oben beschriebenen Bevölkerungsstudie als positiv für die Lebenserwartung und Herzgesundheit gezeigt hat 9.
Wenn Sie allerdings keine der oben genannten Lebensmittel regelmäßig oder gerne essen, dann kann ein natürlicher Extrakt aus Weizenkeimen eine gute Möglichkeit zur Erhöhung der Spermidinzufuhr sein. Das gilt im Besonderen für ältere Menschen, da der Spermidingehalt im Körper mit dem Alter absinkt und eine Spermidineinnahme wie bereits erwähnt gegen Altersvergesslichkeit und Demenz helfen könnte. Man sollte solche Mittel am besten in der Apotheke kaufen oder bei Online-Bestellungen einen seriösen Hersteller wählen, um ein sicheres, kontrolliertes und wirksames Produkt zu bekommen.
In meinem Buch „Einfach Fasten – Das große Praxisbuch“ führe ich Sie detailliert durch eine Heilfastenkur. Auch das Intervallfasten, Basenfasten, Scheinfasten, die F.-X.-Mayr-Kur sowie eine Leber-Darmreinigung leite ich darin an:
- Exl (Lanaprinzip), Sandra (Author)
Letzte Aktualisierung am 2024-11-21 / Affiliate Links / Anzeige / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Hinweis zu den angezeigten Preisen siehe Fußzeile (*).
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit von Mag. Sandra M. Exl und Dr. Silvia Nold aus unserer Fachredaktion entstanden.
- Madeo F et al. Spermidine in health and disease. Science. 2018 Jan 26;359(6374).[↩]
- Pressemitteilung bei nobelprize.org zum Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2016 (englische Sprache).[↩]
- Eisenberg T et al. Induction of autophagy by spermidine promotes longevity. Nat Cell Biol. 2009 Nov;11(11):1305-14.[↩][↩]
- Eisenberg T et al. Cardioprotection and lifespan extension by the natural polyamine spermidine. Nat Med. 2016 Dec;22(12):1428-1438.[↩]
- Eisenberg T et al. Dietary spermidine for lowering high blood pressure. Autophagy. 2017 Apr 3;13(4):767-769.[↩]
- Gupta VK et al. Restoring polyamines protects from age-induced memory impairment in an autophagy-dependent manner. Nat Neurosci. 2013 Oct;16(10):1453-60. doi: 10.1038/nn.3512. Epub 2013 Sep 1.[↩]
- Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Gehirngesunde“ Ernährung: wie Essen vor Demenz schützen kann.[↩]
- Yue F et al. Spermidine Prolongs Lifespan and Prevents Liver Fibrosis and Hepatocellular Carcinoma by Activating MAP1S-Mediated Autophagy. Cancer Res. 2017 Jun 1;77(11):2938-2951.[↩]
- Kiechl S et al. Higher spermidine intake is linked to lower mortality: a prospective population-based study. Am J Clin Nutr. 2018 Aug 1;108(2):371-380.[↩][↩]
- Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Gehirngesunde“ Ernährung: wie Essen vor Demenz schützen kann.[↩]
- Mattson MP et al. Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res Rev. 2017 Oct;39:46-58.[↩]
- Bagherniya M et al. The effect of fasting or calorie restriction on autophagy induction: A review of the literature. Ageing Res Rev. 2018 Nov;47:183-197.[↩]
- Schwarz C et al. Spermidine Intake is Associated with Cortical Thickness and Hippocampal Volume in Older Adults. NeuroImage. 2020.[↩][↩]
- Schroeder S. et al. Dietary spermidine improves cognitive function. Cell Rep. 2021 Apr 13;35(2):108985[↩]
- Liang YT. et al. eIF5A hypusination, boosted by dietary spermidine, protects from premature brain aging and mitochondrial dysfunction. Cell Rep. 2021 Apr 13;35(2):108941.[↩]
- Adhikari R. et al. Spermidine Prevents Ethanol and Lipopolysaccharide-Induced Hepatic Injury in Mice. Molecules. 2021 Mar 22;26(6):1786.[↩]
- Fischer M, et al. Spermine and spermidine modulate T-cell function in older adults with and without cognitive decline ex vivo. Aging (Albany NY). 2020 Jun[↩]
- Alsaleh G et al. Autophagy in T cells from aged donors is maintained by spermidine, and correlates with function and vaccine responses. BioRxiv. 2020.[↩]
- Madeo F, et al. Nutritional Aspects of Spermidine. Annu. Rev. Nutr. 2020. 40:13.1–13.25[↩]
- De Risi M et al. Mechanisms by which autophagy regulates memory capacity in ageing. Aging Cell. 2020[↩]
Bildquellen
- Ein Spermidin Molekül: StudioMolekuul | Shutterstock.com
Dr. Silvia Nold ist promovierte Biologin und hat eine abgeschlossene Ausbildung als pharmazeutisch-technische Assistentin mit Schwerpunkt Ernährungslehre. Sie war mehrere Jahre in der medizinischen Diagnostik tätig. Dr. Nold schreibt für LPZ Publishing and Consulting LLC über Themen der Biologie, Medizin und Ernährung.